Dienstag, 28. Oktober 2008

Textgebundene Eröterung: „Retro-Terroristen“ von Tanja Dückers

Hallo Frau Koch, ich poste ihnen die unbearbeitete Version direkt hier hin. Sobald sie das korrigiert haben, speicher ichs als Entwurf und veröffentlich es dann nochmal korrigiert neu. Im alten Blog ist mein Post irgendwo auf der zweiten Seite, würden sie wohl also kaum finden. Grüße

Die Kolumne „Retro-Terroristen“ von Tanja Dückers behandelt die Reaktionen auf den derzeitigen RAF-Film „Der Baader-Meinhof Komplex“ und stellt gegenüber mit welchen Einstellungen und Interesse man mit dem RAF-Terrorismus (heute und damals) und dem Weltgeschehen heute umgeht.
Tanja Dückers thematisiert parallel zu diesem Phänomen das aktuelle, vielfältige Weltgeschehen (Der Anschlag auf das Marriot-Hotel in Islamabad, die Nachkriegssituation in Georgien etc.). Dennoch liest oder sieht der Deutsche lieber etwas über die eigene Geschichte. Allerdings wird hierbei nach der Meinung der Autorin der geschichtliche Aspekt eher ausgeklammert und stattdessen vor allem sich auf die beteiligten Persönlichkeiten konzentriert.
Die Autorin stellt fest, dass die Öffentlichkeit eher den RAF-Terrorismus als reale, gegenwärtige Ereignisse und Probleme thematisiert. Hierbei zieht die Autorin Vergleiche mit der Interesse am dritten Reich. Im Gegensatz zum aktuellen Weltgeschehen, zu dem der Zeitungsleser oder Nachrichtenschauer eher eine durch Nicht-Betroffenheit bedingte Distanz hat, fühlt man sich dem RAF-Terrorismus der damals die eigenen Vorfahren erschütterte oder in anderer Form mitgerissen hat, verbunden.
Diese Einstellung resultiert ein Interesse an allen Aspekten des RAF-Terrorismus, zum Beispiel an den Tätern. Im Vergleich zum Taliban-Terror, der für viele Deutsche ein Zeichen für blinden, ziellosen Fanatismus ist, fühlt man sich nach der Meinung von T. Dückers mit dem RAF-Terror schon fast familiär „verbunden“, da viele Deutsche durch eine bestimmte Vorgeschichte eine persönliche Verbindung zur RAF haben. Die damaligen Motive erscheinen vielen um einiges logischer und „identifikationstauglicher“. Dieses Verhalten umschreibt die Autorin mit dem Wort „Nestwärme“.
Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass die Deutschen vor allen Dingen deswegen sich geborgen fühlen, weil sie in der RAF-Epoche die Erfolgsstory der westdeutschen Demokratie sehen. Auf die erste Generation reagierte der Staat noch planlos und unvorbereitet, während den RAF-Männern später die kalte Schulter gezeigt wurde und er flexibel auf prekäre Situationen reagierte. Letztendlich gibt sie zukünftigen Terroristen den Rat „erstmal die Filmrechte zu sichern“.
Tatsächlich ist es wahr, dass die Geschichte der Roten Armee Fraktion in letzter Zeit eine große Aufmerksamkeit genoß, trotz der gegenwärtigen anderen Geschehnisse. Dass die Rote Armee Fraktion in letzter Zeit wieder im Fokus der Medien ist, liegt nicht nur in erster Linie an dem Film „Baader Meinhof Komplex“, einer der teuersten Filmproduktionen aller Zeiten, sondern auch an den Diskussionen um die Begnadigung und/oder Freilassung Christian Klars und Brigitte Monhaupts vor einem Jahr. Tanja Dückers sieht die Auseinandersetzung mit der Thematik, den Tätern und ihren Motiven kritisch und wirft Distanz zum eigentlichen RAF-Terror vor.
Allerdings ist diese Art der Bewältigung vielleicht auch einfach eine Weiterentwicklung der bisherigen Betrachtung der Problematik und auch völlig normal. In den Nachrichten damals und heute wurden die Attentate der RAF ausführlich behandelt. Was dem „Unbeteiligten“ aber dennoch Betroffenen als fehlendes Puzzlestück fehlt, sind die genauen Motive der Täter, die Entstehungsgeschichte und Struktur der RAF. Das wiederrum resultiert eine Betrachtung an den einzelnen Persönlichkeiten, die man auch falsch angehen kann.
Tanja Dückers vergisst in ihrer Kritik, dass sich die Deutschen lange sehr wohl mit dem geschichtlichen Aspekten des RAF-Terrorismus auseinander gesetzt haben. Und auch heutzutage steht dieser nicht nur „gelegentlich“ im Mittelpunkt, sondern ist immer noch Schwerpunkt bei der retrospektiven Betrachtung. Letztendlich lernte der Staat aus seinen Fehlern im Umgang mit der RAF und hatte seine eigene „Erfolgsstory“, wie es die Autorin ja selber betitelt.
Durchaus wahr ist allerdings, dass die deutsche Geschichte um 1968-1982 einem näher erscheint, als der gegenwärtige Terrorismus der Al Qaida, oder das Leid der Südossetier. Es ist allerdings fraglich, ob man verallgemeinern kann, dass alle Deutsche in den Terroristen der RAF Behaglichkeit über die generell positive Entwicklung empfinden. Vor allen Dingen, die die durch diese Geschehnisse unabhängig von ihrer Stellung in der Gesellschaft Verwandte verloren haben oder anderwertig stärker beeinflusst wurden, verbinden damit keine Nestwärme sondern prägende Erinnerungen. Dazu gehört nicht nur eine kleine Minderheit, sondern auch die vielen Studenten, die einen Umbruch in der deutschen Gesellschaft fordeten und somit in ein bestimmtes Schema gepresst wurden, unabhängig von ihrer Einstellung gegenüber der Roten Armee Fraktion.
Die Annahme, dass sich in dieser vielleicht sich gelegentlich auf falsche Weise entwickelnde Betrachtung der deutschen Geschichte ein Bedürfnis nach einer neuen Ära des Umbruches und Schreckens versteckt, ist ebenfalls zu bezweifeln. Laut der Autorin musste man nämlich in dieser Zeit vor „nichts Größerem Furcht haben musste, als ein paar Jeansträgern mit Knarre“. Natürlich geriet der RAF-Terrorismus damals in den Fokus der Öffentlichkeit, aber der durchschnittliche Bürger der 70er Jahre hätte ohne dies durchaus noch andere Sorgen gehabt.
Tanja Dückers entlarvt zwar gut, auf welche Weise sich diese Retrospektive teilweise gestaltet und mit der Thematik umgangen wird, wirft allerdings dem Deutschen ein etwas einseitiges Interesse an den Tätern vor, was man so nicht verallgemeinern kann. Meiner Meinung nach ist es gut, dass der RAF-Terrorismus durch diesen Film oder Artikeln in Zeitung und Fernsehen nicht ins Vergessen gerät und auch junge Leute so über ein Kapitel in der deutschen Geschichte informiert werden. Textgebundene Eröterung: „Retro-Terroristen“ von Tanja Dückers

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